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Endlich die erste IM-Norm!

Vom 03.08.-11.08. stand für mich das Riga Technical University Open auf dem Plan. Dieses ist ein echtes Schachfestival, mit einer ganzen Menge an Turnieren. Dabei gab es in diesem Jahr zusätzlich zu den klassischen Turnieren A-D noch zwei Blitzturniere, ein Schnellschachturnier, ein Würfelschachturnier und ein Teammatch an 100 Brettern anlässlich des 100. Geburtstags der FIDE. Ich entschied im Vorfeld, so viele Partien wie möglich mitzunehmen und auch die Blitz- und Schnellschachturniere zu spielen. Zudem bat mich der Veranstalter beim Teammatch im Team FIDE mitzuspielen. Die Matches fanden mit einer Schnellschachzeitkontrolle von 10 Minuten + 5 Sekunden pro Zug statt. Damit startete dann auch das Turnier.

Foto: Riga Technical University Open

Gespielt wurde im "International Exhibition Center Kipsala". Anwesend waren 4 Teams - Team Litauen, Team Estland, Team Lettland und Team FIDE. Aufgrund technischer Probleme startete das Turnier zwei Stunden später als geplant, und als es endlich losging saß uns Team Lettland gegenüber. Ich konnte meine Partie recht problemlos gewinnen, leider musste unser Team eine deutliche 33,5:66,5 Niederlage einstecken. Auch der Start der zweiten Runde verzögerte sich sehr, und so gab es wieder eine Pause von fast einer Stunde, bevor die nächste Runde gegen Team Estland anstand. Auch hier erhielt ich eine Gewinnstellung aus der Eröffnung, stellte mich dieses Mal aber nicht so gut an und gab all meinen Vorteil wieder her, bevor ich meinen Gegner im Endspiel und in Zeitnot austrickste und doch noch gewann. Da nach dem Teammatch noch das Blitzturnier anstand, entschieden wir uns, nach Runde zwei schnell etwas zu essen zu holen. Und wie das immer so ist, startete die dritte Runde natürlich sehr schnell nach Abschluss der zweiten und ich verlor meine Partie ohne anzutreten. Da es inzwischen bereits 18 Uhr abends war, entschied ich das Blitzturnier sausen zu lassen und mich lieber vor dem Schnellschachturnier am nächsten Tag etwas auszuruhen. Das ganze Warten auf die Partien war leider anstrengender als die Partien selbst.

Mein Team landete schlussendlich auf dem 3. Platz. Herzlichen Glückwunsch an Lettland für den Turniersieg! Am darauffolgenden Tag stand ein Schnellschachturnier mit der gleichen Zeitkontrolle auf dem Plan. Gespielt werden sollten 9 Runden, mit Beginn um 11 Uhr. Leider verzögerte sich auch hier der Start um mehr als 1,5 Stunden, doch als es endlich losging lief alles reibungslos. Mit 4,5/6 liefen die ersten zwei Drittel sehr gut. In Runde 7 spielte ich dann gegen ein indisches Nachwuchstalent - IM Ilamparthi A R. In der Eröffnung schlug ich einen vergifteten Bauern und er nahm mich bilderbuchreif auseinander:

Diagramm 1: Stellung nach 13...f5

14. Sh4 g6 15. Sxf5! gxf5 16. Dh5+ Ke7 17. Df7+ Le7 18. Dxf5 und ich verliere die Figur zurück und muss mit dem König auf d7 leben. Ich spielte noch einige Züge weiter, er ließ aber nichts anbrennen und so konnte ich nichts am Ergebnis ändern. Glücklicherweise schlug ich aber in der nächsten Runde zurück und sicherte mir mit einem schnellen Remis in der letzten Runde den 1. Frauenpreis.






Mit leichtem Rückenwind aus dem Schnellschach startete dann am 05.08. das klassische Turnier. Die erste Partie war sehr schwer und so musste ich mich darauf verlassen, dass Zeitnot gepaar mit Nervosiät meinen Gegner zu einem Fehler verleitet:

Diagramm 2: Stellung nach 47. Tf6

Trotz des sehr reduzierten Materials im Turmendspiel, sorgt die schwarze Aktivität für einen entscheidenden Vorteil. Ich spielte 47... Tg7+ 48. Kh2 f4! 49. exf4 e4! und Schwarz steht auf Gewinn, weil man Mattdrohungen gegen den weißen König mit dem Durchmarsch des e-Bauern kombinieren kann. Dies war sicher kein besonders überzeugender Sieg, aber ich war sehr glücklich, dass ich nicht wieder in den Strudel unterbewerteter Kinder gezogen wurde und stattdessen am nächsten Tag als Belohnung einen GM bekam. Der ungarische Nationalspieler Peter Prohaszka überraschte mich in der Eröffnung, allerdings reagierte ich gut und bekam die angenehmere Stellung. Am Ende sah ich aber nicht, wie es weitergehen soll und nahm sein Remisgebot an. Nur wenige Stunden später stand schon die nächste Partie auf dem Plan - gegen die estische Nummer 1 GM Kaido Kulaots. Er versuchte mich in der Eröffnung mit 1.Sf3 zu überraschen, allerdings hatte ich eine Gegenüberraschung bereit und er musste eine Menge Zeit verbrauchen.

Nach 1-2 ungenauen Zügen von mir stand ich etwas unter Druck, konnte die Stellung aber gut zusammenhalten und die Partie endete ohne große Abenteuer Remis. Am nächsten Tag spielte ich gegen einen Fernschachspieler, der offenbar vor einigen Jahren das Fernschach aufgegeben hat und sich stattdessen mit knapp 70 Jahren noch dem Turnierschach zugewandt hat. Nach einem sehr guten Turnierstart war klar, dass er trotz niedriger Elo nicht zu unterschätzen ist und er setzte mich von Anfang an mindestens auf der Uhr unter Druck. An der entscheidenen Stelle verrechnete er sich aber und so endete die Partie antiklimatisch mit einem plötzlich leichten Sieg für mich. Am nächsten Tag stand wieder eine Doppelrunde auf dem Plan und nachdem meine Eröffnung am Morgen sehr gut lief, schien es, als sollte ich eine komfortable Partie gegen die jungen litauischen Nationalspieler Gleb Pidluznij bekommen. Allerdings traf ich eine schlechte Entscheidung und das Blatt wendete sich:

Diagramm 3: Stellung nach 19. Sxd2

Ich verzichtete hier auf 19... Sxa2, weil ich 20. Lxb7 befürchtete, allerdings ist dies wegen 20...Tb8 mit der Idee ...Tb2 schon fast verloren für Weiß. Stattdessen spielte ich 19... Td8 20. Sb3 b6 21. a4 und plötzlich stand ich vor dem Problem, dass ich keinen Bauern mehr am Damenflügel gewinnen würde und die weißen Figuren plötzlich stabil stehen. Nach langem Kampf rettete ich diese Partie irgendwie (bzw. mein Gegner rettete sie für mich).

Nach der langen und schweren Partie am Vormittag war ich am Nachmittag recht glücklich über ein ereignisloses Remis. Am nächsten Tag saß mir einer der stärksten lettischen Spieler der jüngsten Vergangenheit gegenüber - GM Normunds Miezis. Allerdings war bereits erkennbar, dass das Turnier bei ihm nicht gut lief und auch in dieser Partie schien er nicht in guter Form zu sein und ich bekam früh eine angenehmere Stellung.

Leider behielt ich in der kritischen Stellung nicht den Überblick und so verflüchtigte sich mein Vorteil und die Partie endete Remis. Zwei Runden vor Schluss war klar, dass ich wohl noch 1,5 Punkte aus den letzten beiden Partien bräuchte, um eine IM-Norm zu machen und so hoffte ich natürlich darauf, dass ich in Runde 8 mit Weiß gute Chancen bekomme. Mein Gegner strebte gegen meine katalanische Eröffnung schnell eine komplizierte Stellung an und es fiel mir während der Partie sehr schwer, diese einzuschätzen. Plötzlich (es fühlte sich tatsächlich an, als wäre es aus dem Nichts) gewann ich zwei Bauern und damit problemlos die Partie. Bei der kurzen Analyse im Anschluss stellte ich fest, dass ich diese Partie wirklich sehr überzeugend führte und von Anfang and Vorteil hatte, den ich immer weiter ausbaute. Dies kam sehr überraschend für mich, stimmte mich aber noch glücklicher. In der letzten Runde brauchte ich dann ein Remis mit Schwarz gegen GM Paul Velten aus Frankreich. Vor der Partie war ich tatsächlich sehr entspannt, weil ich wusste, dass egal wie sie ausgeht, das Turnier ein Erfolg für mich war. Nachdem ich die Eröffnung mit angenehmer Stellung abschloss spürte ich allerdings, wie nah ich meiner ersten Norm bin und so wiederholte ich hier die Stellung:

Diagramm 4: Stellung nach 31. Sf6

31... Tg6 32. Sh5 Tg8 33. Sf6 Tg6 34. Sh5 1/2:1/2. Wie ist diese Stellung einzuschätzen? Natürlich steht Schwarz klar besser, man hat immerhin einen Bauern mehr. Sollten man anders weiterspielen? Ja. Warum habe ich hier dennoch die Stellung wiederholt? Nach einer wirklich längeren Durststrecke was schachliche Erfolge angeht, war ich einfach so froh, dass dieses Turnier so gut endete, wie es anfing und dass es endlich einmal für die Norm gereicht hat. Zudem merkte ich, dass mein Fokus auf die Stellung nicht mehr allzu groß war, daher entschied ich, dass es in dieser Situation, die für mich richtige Entscheidug ist.

Zusätzlich zu der IM-Norm gab es auch noch den 2. Frauenpreis, hinter Eline Roebers, die ihre Letztrundenpartie gewinnen konnte.

Foto: Diana Matisone

Insgesamt bin ich sehr zufrieden mit diesem Turnier. Sicher wäre auch noch ein halber Punkt mehr drin gewesen(nicht nur in der letzten Runde), aber das Ergebnis und auch der Verlauf der Partien war sehr gut für mein Selbstbewusstsein. So ein konstant gutes Turnier hatte ich sehr lange nicht. Wenn ich ähnliches Schach bei der Olympiade spiele, dann bin ich optimistisch, dass ich unser Team gut unterstützen kann. Die Schacholympiade startet in knapp 4 Wochen, am 10.09. in Budapest. Wir reisen bereits am 04.09. an, um noch ein kleines Trainingslager zu absolvieren. Bis dahin werde ich natürlich meine Partien ausführlich analysieren, versuchen meine Verwertung weiter zu verbessern und natürlich auch das typische Taktiktraining absolvieren um meine Form zu konservieren.


Für alle, die im Sommer auf der Suche nach Turnieren sind, kann ich das RTU Open sehr empfehlen. Es gibt zwei Doppelrunden, aber die Rundenzeiten 11 Uhr und 17 Uhr sind aus meiner Sicht gut gewählt und sichern, dass man seinen Schlafrhythmus im Turnier nicht zu sehr verändern muss, was aus meiner Sicht sehr wichtig ist. Auch der Spielsaal ist sehr schön und bis auf die Verzögerungen bei den ersten beiden Schnellschachturnieren gibt es an der Organisation absolut nichts auszusetzen. Bitte drückt uns die Daumen bei der Olympiade! Bis dahin Josefine PS: Am letzten Abend nach der Siegerehrung spielte ich noch das Midnight Blitzturnier - darüber möchte ich aber lieber nicht reden :-)

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