Weihnachten und Silvester in New York? Davon träumen wohl viele. Ich habe mir in der Vergangenheit tatsächlich wenig Gedanken darüber gemacht, ob das erstrebenswert wäre, aber als die Ankündigung kam, dass die Blitz- und Schnellschach-WM in New York stattfinden würde, dachte ich sofort, dass das eine gute Gelegenheit wäre, Amerika zu besuchen. Wir reisten am 24.12. aus Baku an und trotz der 16-stündigen Reise landeten wir schon am Vormittag am John F. Kennedy - Flughafen. Von dort nahmen wir die Metro in Richtung Manhattan, wo sich unser Hotel und auch der Spielsaal befand. Tatsächlich hatte ich etwas modernere Züge erwartet, aber die Metros sahen alle etwas in die Jahre gekommen aus. Was auch immer wieder auffiel war, dass Obdachlose in den Metros Schutz vor der Kälte suchen und dort zum Teil auch schlafen. Im Hotel angekommen gab es die erste positive Überraschung - auch wenn die Hotelpreise in der Region zum Jahreswechsel jenseits von Gut und Böse sind, war es angenehm, dass eine zweite Person im Zimmer keinen Aufpreis zahlen muss(nicht mal City tax o.Ä.). Eigentlich wollte ich am Nachmittag noch etwas die Gegend besichtigen, aber die Reise hat mich völlig erschlagen und so blieben wir einfach im Hotelzimmer, probierten Uber Eats aus und schauten einen Film. Am nächsten Tag musste ich leider feststellen, dass die Zeitverschiebung (9 Stunden) mir mehr zu schaffen machte als ich dachte und so hatte ich um 3 Uhr ausgeschlafen(leider nicht zum letzten Mal während des Turniers). Am vormittag ging es dann in Richtung Manhattan Zentrum, um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten zu besuchen:
Foto links: Abstrakte Kunst an der Pace University Foto mitte: Empire State Building Foto rechts: Deutscher Tourist im Central Park :)
Auf dem Weg zwischen Empire State Building und Central Park liegt auch der Times Square, aber dort ist es so voll, dass ich es wirklich unangenehm fand für ein Foto stehen zu bleiben. Generell muss ich sagen, dass ich in Filmen/Serien New York immer super schön finde, aber als ich dort ankam feststellen musste, dass ich ein absolutes Dorfkind bin :) Diese großen Menschenmassen sind einfach nichts für mich und an den Touristenhotspots ist das natürlich sehr ausgeprägt. Bedenkt das, falls ihr einen Urlaub in New York plant.
Foto links: Chinatown Foto mitte: Brookling Bridge Foto rechts: Charging Bull Genug zum Sightseeing - kommen wir zum Turnier. Das startete am 26.12. mit drei Tagen Schnellschach. Bisher hatte ich nur einmal die Blitz- und Schnellschach-WM gespielt - 2019 in Moskau. Damals startete ich mit 0,5/5 ins Schnellschach, dementsprechend hatte ich gerade für diese Disziplin keine besonders hohen Erwartungen. Als ich dann in der ersten Runde meine Teamkollegin aus Baden-Baden Mai Narva besiegen konnte, stimmte mich das sehr optimistisch. Hier ein paar interessante Stellungen aus dem Turnier (gern zum selber Nachdenken):
Hier verpasste ich eine nette Taktik: 1. Dxd5 Txd5 2. Txb4 axb4 3. Sg6+ fxg6 4. Txf8+ Kh7 5. e6 und Weiß gewinnt. Die Partie gewann ich dennoch, aber nicht ohne Abenteuer.
Diese Stellung stammt aus der letzten Partie des Tages und ich fand die richtige Fortsetzung: 1... Sxb3 2.cxb3 Sxa3+ 3. bxa3 Txc3 4. Ld4 Txb3+ 5. Ka2 Tg3 und Schwarz hat einen Bauern gewonnen. Die Stellung ist nach wie vor sehr unklar, weil beide Könige irgendwie offen stehen. In der Partie verlor ich leider bald den Überblick und so auch die Partie, aber die Taktik war korrekt.
Ich kam mit ganz angenehmer Stellung aus der Eröffnung, konnte aber nicht allzu viel daraus machen, weil meine Gegnerin sich gut verteidigte. Hier hatte ich eine Chance die Initiative zu übernehmen: 1. De6 Dh5+ 2. Dg4 und der schwarze Angriff ist vorbei und im Turmendspiel hat Weiß natürlich die besseren Chancen. Stattdessen spielte ich 1. Dd3, was objektiv sogar verliert, aber glücklicherweise fand meine Gegnerin den Gewinn mit Sekunden auf der Uhr nicht und gab Dauerschach.
Nachdem die Partie sehr ausgeglichen verlief, aber wohl mit der etwas angenehmeren Stellung für Weiß, hatte ich hier einen kleinen Trick vorbereitet und meine Gegnerin lief rein: 1...Df6 2. Dxf6 Sxf6 3. Lxf6 Txb1 und Weiß kann ...Lc4 mit Figurengewinn nicht verhindern.
Nachdem ich aus der Eröffnung heraus völlig auf Gewinn stand, ließ ich mich austricksen und stand irgendwann sogar auf Verlust. Caissa gönnte aber offenbar uns beiden keinen vollen Punkt: 1. Th8+ Kg3 2. Tg8+ Kf3 3. Tg3+ und Schwarz kann nicht schlagen, weil der weiße König auf Patt steht.
Diese Stellung stammt aus der letzten Runde. Ich stand mit 50% gut da, wollte aber natürlich gerne das Turnier mit einem Sieg abschließen. Leider verpasste ich hier eine Möglichkeit die Initiative zu übernehmen: 1. Sc5 bxc5 2. dxc5 und die verbundenen weißen Bauern am Damenflügel schränken die schwarzen Figuren so sehr ein, dass Schwarz früher oder später eine Leichtfigur zurückgeben muss.
Ich spielte stattdessen 1.a4 und spielte auch im Anschluss nicht besonders gut und verlor leider auch diese Partie.
Am Ende waren 5/11 ein akzeptables Ergebnis, ich habe einige gute Spielerinnen geschlagen und darüber freue ich mich natürlich. Andererseits war auch hier wieder eine meiner großen Schwächen sehr sichtbar: die Vorteilsverwertung. Natürlich ist es im Schnellschach nochmal schwieriger als im klassischen Schach, aber dennoch war der Trend klar. Ich hatte mehr gute Stellungen als schlechte und trotzdem mehr Verlustpartien als Siege. Im Blitz sollte sich dieser Trend fortsetzen, allerdings gab es zunächst noch einen freien Tag, an dem eine "Chess and Finance"-Konferenz stattfand. Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, ob irgendwelche Spieler diese besucht haben, ich jedenfalls nicht :) Stattdessen ging ich lieber morgens eine Runde spazieren:
Am 30.12. standen dann 11 Runden Blitz an, die besten acht würden sich für das K.O.-Turnier am 31.12. qualifizieren. Im Blitz ist an einem Tag natürlich nahezu alles möglich, leider sowohl im positiven Sinne als auch im negativen. Und die erste Partie des Tages wies mir bereits die Richtung:
Hier wollte ich 1. Dd6+ spielen, sah aber nicht wie es nach 1...Kg8 (ja der ist illegal, ist mir aber nicht aufgefallen) weitergeht. Stattdessen schlug ich auf e3 und das war nicht der letzte Fehler, sodass die Partie am Ende Remis endete. Dass ich ein direktes Matt übersehen habe, weil ich dachte, dass der König auf ein Feld geht, wo er nicht hin darf, war auch für den restlichen Turniertag sehr bezeichnend.
Nach drei Runden stand ich bei 50% und spielte noch einmal mit Schwarz gegen eine Gegnerin, die ich bereits im Schnellschach hatte. Ich überspielte sie im Mittelspiel und gewann einen Bauern und nun geht es an die Verwertung. Zum Beispiel 1...Sh5 mit der Idee 2...Sf4 sieht sehr vielversprechend aus. Stattdessen spielte ich 1...Sg4 und nach 2. Dxg4 musste ich bald aufgeben.
Auch in dieser Partie bekam ich schnell eine gute Stellung und gewann einen Bauern. Nun verlor ich jedoch völlig den Faden und statt 1.g3 mit Gewinnstellung zu spielen, spielte ich 1. Da6 fxg2 2. Dxc6 hatte ich Glück, dass Schwarz 2...Sf4 spielte, Denn nach 3. Dxe8 hat Schwarz nichts besseres als Dauerschach. Da ich aber kein Remis wollte, spielte ich 3. Df3 Tf8 4. Te1 und nach 4...Sh3+ musste ich bald aufgeben.
Kurz vor Schluss des Turniers bekam ich dann noch die Chance eine aufstrebende Spielerin aus China zu schlagen - Lu Miaoyi (14 Jahre, klassische Elo ca. 2440). Ich spielte 1...Tc4 2. De5 Dxe5 3. Lxe5 Txc1 und hatte eine Qualität gewonnen. Die Partie gewann ich auch recht überzeugend(auch wenn ich im Folgenden noch den ein oder anderen Bauern einstellte).
In der letzten Runde spielte ich gegen eine junge Kasachin und bekam sehr schnell eine gute Stellung. Das Turnier endete aber wie es begann und statt 1. Td4 zu spielen und klar besser zu stehen, spielte ich 1. h5, weil ich vergaß, dass nach 1...Sxh5 2. Dg4 Sf6 3. Dg3 Sh5 immer noch geht und so wiederholten wir die Stellung.
Im Gegensatz zum Schnellschach war ich mit 5/11 im Blitzschach gar nicht zufrieden, was natürlich vor allem an der Qualität der Partien lag. Ich schmiss einfach viel zu viele gute Stellungen weg. Leider ist es im Blitz häufig so, dass man recht chancenlos ist, wenn man einen schlechten Tag hat und das war der Fall. Am Ende punktetechnisch zwei gleiche Turniere, aber die Stimmung am Ende war sehr unterschiedlich :). Ich denke generell sollte ich einfach weiter an meiner Vorteilsverwertung arbeiten und dann wird es hoffentlich beim nächsten Mal besser. Die Reise nach New York war interessant, aber es gibt eine Menge Städte, die mir besser gefallen. Das größte Highlight für mich waren die Bagels! Nun habe ich erstmal eine recht große Schachpause geplant und spiele eventuell erst Ende März bei der Fraueneuropameisterschaft. Bis dahin heißt es fleißig trainieren, ein frohes Neues Jahr wünsche ich Euch! Josefine
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